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CARLETTA HEINZ

DIE ANPACKERIN

Mit Carletta Heinz an der Spitze geht ein Glas-Familienunternehmen in Oberfranken in die 13. Generation – und beweist, dass Erbe nicht gleich Rückschritt bedeutet.

„Mein Schulweg führte direkt hier durch die Firma“, sagt Carletta Heinz und deutet in Richtung Fenster ihres Hauses in Kleintettau nach draußen. Weil die 37-jährige Geschäftsführerin von Heinz-Glas vor wenigen Wochen Mutter geworden ist, sitzt sie gerade nicht an ihrem Schreibtisch im Firmengebäude, aber trotzdem mittendrin. „Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, steht auf dem Betriebsgelände“, erzählt sie, und dass sie gerade – „wenig profimäßig“ – Kinderzimmer und Büro vermische. Dabei waren Privates und Berufliches für Carletta Heinz, die das Amt kürzlich von ihrem Vater Carl-August übernommen hat, schon immer zwei Seiten derselben Medaille. „Wenn ich sage, dass ich in die Glasproduktion reingewachsen bin, meine ich das ganz wörtlich. Ich war schon als Kind immer in den Hallen unterwegs, das wäre heute gar nicht mehr so möglich. Aber ich habe ja gewusst, dass ich nirgendwo reinfassen darf.“ 

Ich war schon als Kind immer in den Hallen unterwegs, das wäre heute gar nicht mehr so möglich. Aber ich habe ja gewusst, dass ich nirgendwo reinfassen darf.

Heute hält Heinz die Fäden dessen zusammen, was ausgehend vom zweiten deutschen Werk in Thüringen vor 13 Generationen aufgebaut wurde. „Das war ein großer Antrieb, aus dem heraus ich von mir aus gesagt habe: Ich finde das erhaltenswert“, meint Carletta Heinz, die mit den Standorten im oberfränkischen Kleintettau, in Piesau und weltweit 3200 Angestellte in 27 verschiedenen Arbeitszeitmodellen beschäftigt. „In der Geschäftsführung ist der Frauenanteil 50:50, aber je weiter nach unten wir in die Produktion schauen, sieht es nach wie vor anders aus. Wir versuchen stark, auf alle Bedürfnisse einzugehen. Das betrifft ja nicht nur Menschen mit Kindern, sondern beispielsweise auch mit pflegebedürftigen Familienmitgliedern. Aber an Hitze und Schichtarbeit lässt sich leider nichts ändern. Wir können heute wie zu Wendezeiten nur dankbar sein für die ehemaligen Gastarbeiter*innen, die der Firma und dem Ort mittlerweile in der dritten Generation treu bleiben. Die Maschinen müssen rund um die Uhr laufen, sonst ist die Herstellung einfach nicht rentabel“, sagt Carletta – und sie weiß, wovon sie spricht. Mit Blick auf ihr Diplom an der Wand meint sie, dass sie schon ein wenig bereut habe, BWL und Wirtschaftsinformatik studiert zu haben und nicht Maschinenbau. Weil ihr Herz schon immer stärker für die Produktion geschlagen habe, hat Carletta Heinz die technische Abteilung bis vor Kurzem auch noch selbst betreut, die Entwicklungsabteilung ist direkt angebunden.

Glas ist einfach ein faszinierender Werkstoff, sehr heiß und laut und irgendwie beeindruckend. Die meisten Menschen, die heute das erste Mal in eine Glashütte kommen, empfinden das auch als Erwachsene noch so – da kann man schon mal hängenbleiben.

„Glas ist einfach ein faszinierender Werkstoff, sehr heiß und laut und irgendwie beeindruckend. Die meisten Menschen, die heute das erste Mal in eine Glashütte kommen, empfinden das auch als Erwachsene noch so – da kann man schon mal hängenbleiben.“ Was keinesfalls heißt, dass die Zeit im Werk stillsteht, denn seit der Fertigung der ersten groben Trinkgefäße und Behälter, vornehmlich für Apotheken in den Gründungsjahren seit 1622, hat sich Heinz-Glas vor allem auf filigrane Parfümflakons und Kosmetikverpackungen spezialisiert. „Wir experimentieren viel. Es gibt beispielsweise eine Wanne für Opalglas. Dieses besondere Glas lässt kaum UV-Licht durch, sodass der darin verpackte Inhalt weniger Haltbarkeitsmacher braucht“, erzählt Carletta Heinz mit einem kleinen Leuchten in den Augen. Nach 16 Jahren in Nürnberg hätte sie sich anders entscheiden können: „Mein Vater hat mir immer die Wahl gelassen, alleine schon deswegen, weil er es anders erlebt hat und besser machen wollte.“ Aber sie meint auch, dass sie froh sei, zurückgezogen zu sein – weil die Region die jungen Impulse brauche und weil sie sich hier wohl und der Familie nah fühle und den Zusammenhalt schätze, auch dank des Vereinswesens. „Ich selbst bin Mitglied bei der Feuerwehr, haha, also aktuell natürlich noch nicht wieder aktiv“, erzählt Carletta Heinz schmunzelnd. „Und was mein Vater mit unserer Stiftung in die Kultur vor Ort investiert hat – Sportangebote, das Tropenhaus, das Flakonmuseum – trage ich weiter. Auf meine Art.“

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